Leverkusen in den 50ern: “Kindheit”

Von | 14. Januar 2015

Im folgenden finden Sie das Sendemanuskript zur Sendung “Leverkusen in den 50ern” und der Folge über die “Kindheit”. Die Ausschnitte wurden in der Stadtbibliothek Leverkusen aufgenommen, die die Gesprächsreihe auch zusammen mit dem Stadtarchiv Leverkusen organisierte. Aufgezeichnet wurde die Reihe von der Arbeitsgemeinschaft Bürgerfunk e.V. Hören Sie hier die gesamte Sendung.


20:11 Uhr 1. Take
“Als wir noch jung waren – Leverkusen in den 50ern”, so hieß eine Gesprächsreihe der Stadtbibliothek in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv. In lockerer Atmospähre wurde über die 50er und das Erlebte gesprochen. Heute hören wir Berichte aus der Kindheit in den 50er Jahren. 2014 leben wir ja in einer bunten Welt, in der es immer ein Dauerfeuer an Unterhaltung gibt, vor allem im Fernsehen. Claudia Villmow erinnert sich aber noch sehr gut daran, wie das in den 50ern aussah:

1 Villmow Fernsehen (16 Sekunden):
“Dann kann ich mich noch an unseren ersten Fernseher erinnern. Der stand in so einem polierten Schrank im Wohnzimmer. Es gab nur ein Programm, erstmals. Dann gab es ein Zweites – Prima, man konnte wählen. Man hat auch immer was gefunden. Die ganze Familie saß Abends vorm Programm”

Aber man hat natürlich als Kind nicht den ganzen Tag vor dem Fernseher gesessen. Es gab doch gerade in Wiesdorf so schöne Ecken, wo man als Kind so gerne gespielt hat. Das sahen nicht alle Eltern von den Zeitzeugen gerne, aber man musste es ja auch nicht erzählen. Und so spielte auch Bärbel Skrodol damals gerne auf dem heutigen Neulandparkgelände:

2 Skrodol Müllkippe (16 Sekunden):
“Ich habe zum Beispiel auf dieser hochvergifteten Müllkippe gespielt. Und die war ja auch in vielen Schattierungen. Und da war ein Gestank. Hat uns alles nicht berührt. Unten war ja auch die Dhünn. Und wir haben da gespielt. Kein Mensch hat danach gefragt.”

Spaß haben konnte man aber nicht nur auf Müllkippen. Ein Großereignis gab es da dann zum Beispiel auch Bürrig: die Bürriger Kirmes. Und die hatte auch etwas Besonderes zu bieten. Was genau, das hören wir gleich.


20:20 Uhr 2. Take
Leverkusener Zeitzeugen aus den 50er Jahren trafen sich im vergangenen Jahr in der Stadtbibliothek, um von ihrer Kindheit in Leverkusen zu erzählen. Ein großes Erlebnis gab es in ihrer Kindheit für Karin Kronenberg und ihre Famile auf der Bürriger Kirmes.

3 Karin Kronenberg Kirmes (104 Sekunden)
“Mein Vater war 1953, da war ich 5 Jahre alt, dann auch Hahenkönig. Das heißt, der hat diesem Königshahn den Kopf abgeschlagen. Die wurden vorher getötet und hingen dann Tod in diesem Korb. Also im Grunde war auch für mich der Trost, die waren ja jetzt schon Tod und denen wurde dann jetzt in diesem Korb der Kopf abgeschlagen und der letzte Hahn der dann rein kam in den Korb war ein riesengroßer, weißer, schöner Hahn und wer dem dann den Kopf abschlug, der war dann Hahnekönig. Und das war mein Vater 1953. Und das war für unsere Familie sensationell. Geld hatten wir alle keines. Wurde dann irgendwo etwas geliehen, weil das war auch mit Kosten verbunden. Klamotten zum Anziehen wurde dann ja gebraucht. Abendkleid für meine Mutte und für mich dann auch so nen Prinzessinenkleid. Aber wir hatten ja Zeit bis zum Jahr darauf. Dann erst kamen wir mit Kutsche und Pferd mit diesem Festzug durch Bürrig und da weiß ich noch, dass ich ein langes dunkles Kleid bekam, das war aber nicht gekauft sondern geliehen. Das musste dann anschließend zurückgegeben werden. Und da fühlte man sich wie eine Prinzessin, wenn man da mit Pferd und Wagen.. und alles jubelte dann einem zu. … da war ja riesen Krönung wurde da gemacht. Der alte wird entthront und der neue wird gekrönt mit Krone und Gedöns und ja, das war dann mein mein Highlight jedes Jahr aufs Neue, diese Bürriger Kirmes.”

Aber bei all dem Spaß, den man haben konnte, auch der Ernst des Lebens kam nicht zu kurz. Darüber hören wir gleich mehr.


20:30 Uhr 3. Take
Wie die Kindheit in Leverkusen in den 50er Jahren aussah, das war unter anderem das Thema einer Reihe mit Zeitzeugen in der Statbibliothek in Leverkusen. Und durch eines mussten wir alle in der Kindheit durch: die Schule. Und was wäre die Schule ohne die Lehrer? Gerd Kaltenbach kann sich nicht nur noch gut an die strengen Lehrer erinnern, sondern auch an deren harten Sportunterricht:

1 Kaltenbach Sportlauf (19 Sekunden)
Ich kann mich an einen Lehrer erinnern, der uns im Gezeelinwald Runden drehen ließ – Laufpensum. Und es waren ein paar Burschen dabei.. und die schafften es dann also ein paar Runden hinter einer Buche hängen zu bleiben. Und so schaffte man es dann auch, eine Runde hinter einer Buch hängen zu bleiben… so konnte man also auch dieses Marathon durchstehen.”

Die strenge der Lehrerinnen bekam Karin Kronenberg aber noch ganz anders zu spüren, denn es gab eine klare Kleiderordnung. Sie ging damals auf das Mädchengymnasium in Opladen, dem Marianum. Auch für Mädchen, die mit dem Fahrrad zur Schule kamen gab es keine Ausnahme:

1 Kronenberg Hose (30 Sekunden)
“Ich fuhr dann von Bürrig mit anderen Kindern mit dem Fahrrad durch den Reuschenberg dahin nach Opladen. Bei Wind und Wetter. Unter anderem mit einer langen Hose. Und wir durften keine langen Hosen in der Schule anziehen, also mussten wir immer einen Rock dabei haben und den hatte ich vergessen. Jetzt musste ich an dem Tag den ganzen Tag mit einem langen Rock in der Schule sitzen. Weil ich den Rock nicht dabei hatte. Es gehörte sich nicht für ein Mädchen in der langen Hose herumzulaufen.”

Dafür konnte es im Klassenraum aber umso Lokalpariotischer zugehen, wenn man sich die Schulbücher ansah. Reinhold Braun kennt noch so ein Leverkusener Mathematikbuch mit zumindest lokalem Einband:

2 Braun Schulbuch (24 Sekunden)
“Das Buch, was hier ist “Die Welt der Zahl”, das hatten Sie früher auch hier in Leverkusen gehabt. Das ist nämlich ein Schulbuch aus Leverkusen, was einige früher vielleicht auch hatten. Das Bayerkreuz ist hier vorne dann mit abgedruckt, der Kaufladen ist immer schön. Die Kinder spielen immer gerne mit Kaufladen und dann rechnen sie vielleicht auch besser, so haben die Lehrer gedacht oder die Schulbuchmacher.Und dann hier aus dem ersten Buch, also viele Illustrationen, die die Kinder zum rechnen gebracht haben”.


20:40 Uhr 4. Take
Die Kindheit in den 50er Jahren ist heute das Thema im Bürgerfunk. Gerd Kaltenbach lebte in den 50er Jahren als Kind in Leverkusen und kann sich noch gut daran erinnern, dass man nicht mal eben irgendwo hinkam, wenn man etwas machen wollte. Denn irgendwohin gefahren, wurde er als Kind nicht.

1 Kaltenbach Wege als Kind (15 Sekunden)
“Was wir früher als Kinder unternahmen… es musste alles irgendwie erreichbar sein. Und zwar entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Weiß noch mein Vater sagte: guck mal zu, wie du da hinkommst. Das war’s, ganz einfach”

Einfach war es dafür nicht immer mit dem Rad von Schlebusch nach Wiesdorf zu kommen, denn auf dem Weg gab es drei Eisenbahnschranken, die meistens alle unten waren. Gerd Kaltenbach kann sich noch an den nervigsten der drei Übergänge erinnern:

2 Kaltenbach Übergang Schlebusch (19 Sekunden)
“In Manfort, also der Bahnhof Schlebusch Übergang Schlebusch, da war sie auch meistens unten, inbesondere deshalb, vor allem deshalb weil Wuppermann immer noch sehr viel über die Bahn an- und ablieferte und wenn da rangiert wurde, dann lief da über eine halbe Stunde absolut nichts mehr.”

Wenn man dann nicht unterwegs war, dann wurde eben zu Hause gespielt. Wie die Spielzeugwelt aussah, das kann Reinhold Braun erklären, der ebenfalls die Kindheit in den 50ern erlebte.

2 Reinhold Braun Kinderspielzeug (25 Sekunden)
“Es war also Spielzeuge, Bewegungsspielzeuge. Wie jetzt hier auch für die ganz kleinen ein Schaukelpferd oder dann auch hier ein Roller aus Holz oder so nen Dreirad. Oder auch hier ein Hund mit Rädern drunter. Den konnte man dann bewegen. Und natürlich der Traum von vielen kleinen Jungs war natürlich so eine Eisenbahn zu haben. Das war meine allererste Eisenbahn, die mein Vater dann so aufgebaut hatte”.

Mehr Erfahrungen aus den 50ern gibt es gleich, dann geht es darum, welche Folgen Scheidungen hatten.


20:45 Uhr 5. Take
In den 50er Jahren wurden viele Dinge auch noch anders gesehen, als heute, das hat die Gesprächsrunde in der Stadtbiliothek zu den 50er Jahren oft vermittelt. So waren Scheidungen damals zum Beispiel äußerst selten und wurden stark geächtet, wie Claudia Villmow erzählen konnte.

1 Villmow Scheidung (33 Sekunden)
“Ende der 50er Jahre haben meine Eltern beschlossen, sich scheiden zu lassen. Und das damals irgendwie noch ziemlich krass. Ich war das einzige Scheidungskind in ganz Bürrig und das hat man sich auch so ein bisschen spüren lassen. Da waren manchmal auch fremde Kinder beim spielen ‘He guck mal da, deren Eltern lassen sich scheide’. Das war ein richtiger Makel wo man dann weinend nach Hause gelaufen ist. Von anderen Schülern da war teilweise der Vater verstorben, das war dann in Ordnung. Aber scheiden lassen war richtig verpönt”.

Und das war für heute auch unsere kleine Zeitreise in die 50er Jahre in Leverkusen. Die Zeitzeugen sind aus einer Gesprächsrunde aufgezeichnet worden, die von der Stadtbibliothek und dem Stadtarchiv veranstaltet wurde. Die Audiodokumentation und diese Sendung sind eine Produktion der Arbeitsgemeinschaft Bürgerfunk und weitere Infos zu diesem Projekt gibt es auch auf unserer Homepage unter aktionsradio.de. Im Studio war Sebastian Jarmuzek.